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Thure von Uexküll

Als Facharzt für Innere Medizin wurde er 1955 Leiter der Medizinischen Poliklinik der Universität Gießen, 1966 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Psychosomatik an der neu gegründeten Universität Ulm. Seine Abteilung wurde zur Keimzelle einer ebenso produktiven wie expansiven internistischen Psychosomatik, aus der mehrere Ordinarien und Chefärzte psychosomatischer Kliniken hervorgingen, von denen wiederum einige zu den Gründern der Akademie für Integrierte Medizin gehörten. In seine Ulmer Zeit fiel auch die Herausgabe des “Schwerbuchs”, wie er es augenzwinkernd nannte, des großen Lehrbuchs der Psychosomatischen Medizin bei Urban & Schwarzenberg, das mittlerweile in sieben Auflagen erschienen ist.

Anfang der 60er Jahre erreichte Uexküll als Mitglied der “Kleinen Kommission” zur Reformierung der bis dahin geltenden Approbationsordnung für Ärzte, dass Medizinische Soziologie, Psychologie und Psychosomatik fest im Curriculum für deutsche Medizinstudenten verankert wurden.

1974 gründete Uexküll gemeinsam mit einer Gruppe von Gleichgesinnten das “Deutsche Kollegium für Psychosomatische Medizin” (DKPM), die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Psychosomatiker.
Uexküll setzte sich dabei stets für eine Psychosomatik ein, die nicht als eine weitere spezialisierte Fachdisziplin neben den anderen medizinischen Fächern forschen und versorgen, sondern integraler Bestandteil aller praktischen Fächer der Medizin sein sollte. Um zu demonstrieren, dass eine solche Medizin in einigen Kliniken und Praxen tatsächlich realisiert wurde, gab er 1981 im Schattauer Verlag ein bemerkenswertes Buch mit dem Titel “Integrierte Psychosomatische Medizin” heraus. Im Vorwort erklärte Uexküll als Ziel des Bandes “… einer breiten Öffentlichkeit darzustellen, dass in unserem dualistischen, in immer mehr und immer engere Spezialdiziplinen aufgeteilten Gesundheitssystem Einrichtungen existieren und funktionieren, die es nach dem Urteil vieler Fachleute sowohl aus dem Lager der somatischen Mediziner wie dem der Psychotherapeuten angeblich nicht geben kann.” (Uexküll 1981)

 

Während das Lehrbuch der Psychosomatischen Medizin zum Standardwerk heranreifte, blieb dieses Buch zunächst weitgehend unbeachtet. Die Zeit war offensichtlich noch nicht reif dafür. Zehn Jahre später nahm Uexküll in Kooperation mit einigen Schülern und Sympathisanten eine zweite Auflage des Buches in Angriff. Inzwischen hatte sich die Situation erheblich geändert. Es waren – allerdings eher abseits der universitären und offiziellen Medizin – so viele Beispiele für eine gelungene Synergie somatischer und psychotherapeutischer Ansätze in Kliniken und Praxen entstanden, dass die Auswahl der vorzustellenden Einrichtungen eher schwerfiel. Deutlich wurde aus den Beiträgen, dass diese Pioniere einer integrierten psychosomatischen Medizin meist als Einzelkämpfer operierten, da ihre Verbindungen zur offiziellen medizinischen Szene schwächer geworden, ein Kontakt zu Gleichgesinnten aber praktisch nicht vorhanden war.

Im Gegensatz zur 1. Auflage stieß das Buch diesmal auf ein großes Echo. Als es erschienen war, zeichnete sich bei seinen Autorinnen und Autoren, die sich zuvor mehrmals im Glottertal zu Redaktionskonferenzen getroffen hatten, der Wunsch ab, den Kontakt zwischen den Mitarbeitern der vorgestellten Einrichtung nicht abreißen zu lassen, sondern die Diskussion fortzusetzen, den Informationsaustausch zu verstärken und nach weiteren, möglicherweise ebenfalls im verborgen arbeitenden Gleichgesinnten zu suchen. Die Vereinzelung der “Integrierten” bot zudem keinerlei Möglichkeit, gesundheitspolitisch aktiv zu werden und auf das unbefriedigende dualistische Paradigmain der Medizin Einfluss zu nehmen. Konsequenterweise gründete Thure von Uexküll daraufhin die Akademie für Integrierte Medizin (AIM), die im August 1992 als gemeinnütziger Verein eingetragen wurde. Bei der Namensgebung der Organisation wurde bewusst auf das Attribut “psychosomatisch” verzichtet, da es das Ziel der AIM ist, die verkümmerte oder ganz verlorengegangene psychosoziale Dimension in die traditionellen Fachgebiete der Medizin zurückzubringen. Damit ist eine solche “Integrierte Medizin” immer auch psychosomatisch und die Disziplin Psychosomatik hätte aus dieser Warte die Aufgabe, sich selbst überflüssig zu machen.

Thure von Uexküll am 14.9.2004 auf seiner Veranda auf der Sonnhalde in Freiburg

Noch fast dreißig Jahre nach seiner Emeritierung setzte Uexküll seine wissenschaftlichen Studien und seine publizistische Tätigkeit fort. Er entwickelte die Technik der “Reflektierten Kasuistik”, eine Methode der Fallarbeit, basierend auf seinem semiotisch-konstruktivistischen Modell und der Gliederung in “Geschichte einer Krankheit”, “Geschichte eines kranken Menschen” und “Geschichte einer Arzt-Patienten-Beziehung”. Uexkülls Haus in der Sonnhalde in Freiburg wurde zu einer naturphilosophisch-medizinischen Denkfabrik und das alte Uexküllsche Familiendomizil auf Capri zur Werkstatt, in der er seine Texte zur Theorie der Humanmedizin schrieb und an den Neuauflagen seines Lehrbuchs arbeitete.
Die hier verlinkte 7. Auflage des Lehrbuchs "Psychosomatische Medizin", der sog. "Uexküll", auch "Schwerbuch" genannt wegen seiner über 1.000 Seiten, ist authentisch.
In der achten Auflage sind - nach Uexkülls Tod - die entscheidenden theoretischen Ansätze der Integrierten Medizin (Konstruktivismus, Semiotik und Systemtheorie) von den Herausgebern bedauerlicherweise gänzlich verlassen worden.

Am 29. September 2004 ist Thure von Uexküll im Alter von 96 Jahren verstorben.

Die Trauerfeier fand am 5. Oktober 2004 in Freiburg statt.

Begegnung und Abschied - Mein Versuch eines Nachrufs (pdf-Datei, 50 kB)

Zum 100. Geburtstag von Thure von Uexküll
Werner Bartens, in: Süddeutsche Zeitung vom 15.3.2008

Thure von Uexküll war ...


- in seinem ärztlichen Wirken auf unnachahmliche Weise

  mit der Theorie und Praxis der Humanmedizin befaßt

- der Gründer der Akademie für Integrierte Medizin

- mein wichtigster ärztlicher Lehrer

 
"Es gibt nur psychosomatische Krankheiten!"