Henriette Hontschik
Henriette Hontschik (1852-1919)
Der Partezettel von "Henriette Aloisia Philipine Josefine Hontschik, geboren am Samstag, den 28. Februar 1852 um 3/4 auf zwölf in der Nacht; getauft am Donnerstag, den 4. März 1852 um 3 Uhr nachmittags":
Eine überraschende, nur zufällig bei einer Suchroutine im Internet gefundene Erwähnung findet Henriette Hontschik in einer Veröffentlichung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Unter einundzwanzig ausgewählten Eintragungen aus den Gästebüchern der vergangenen vier Jahrhunderte findet sich neben Montesquieu, Gottholf Ephraim Lessing, Ludwig Uhland, Wilhelm Busch, Recha Rothschild sowie Christo und Jeanne-Claude auch ein Eintrag von Henriette Hontschik und ihrer Schwester Leopoldine vom 19. Oktober 1909.
Der Buchbeitrag enthält u.a. auch das Faksimile einer Postkarte (Abbildungen rechts, © Herzog August Bibliothek), die die Schwestern nach ihrem Besuch der Bibliothek in Wolfenbüttel am 20. Oktober 1909 an ihre Mitstreiterin Henriette Herzfelder nach Wien schickten.
"Das reiselustige Schwesternpaar Henriette und Leopoldine Hontschik" In: Hole Rößler und Marie von Lüneburg: Bitte eintragen! Die Besucherbücher der Herzog August Bibliothek 1667 - 2000. Harrassowitz Verlag, Wolfenbüttel 2021, S. 147-151
Voller Bewunderung für Ernst Haeckel, gleichzeitig aber geradezu unterwürfig schreibt sie: "Wohl bin ich dessen bewußt, daß der Stil und Satzbau des Buches schwerfällig und für die meisten Menschen unverständlich ist, doch dem Geistesheros Haeckel nicht! Dieser wird das Verständnis für die Goldader haben, die im tauben Gestein eingebettet ist und mir Hilfe und Rat nicht versagen, was ich beginnen soll."
Mit der ein wenig verrückt anmutenden Diktion: "In mir lebt die unumstößliche Überzeugung, daß nur das in Vaters Werk enthaltene System die Grundlage für ein neues Evangelium der Menschheit bildet. Exz. Herr Geheimrat wollen mir gütigst eine Nachricht zukommen lassen, worauf gläubig harrt Euer Exzellenz hochschätzende Henriette Hontschik, Fachlehrerin i. R." endet ihr Schreiben.
Da sie offensichtlich keine Antwort erhalten hat, fragt sie nach zwei Monaten noch einmal nach: "Da ... ich in dieser Angelegenheit noch keine Verständigung erhielt, so wage ich es inständig zu bitten, mir baldigst gütige Nachricht zu senden, welches Urteil hochverehrter Herr Geheimrat über das Werk meines geliebten Vaters gefällt haben."
Eine Antwort von Ernst Haeckel ist nicht verzeichnet, und insofern kann man diese beiden Schreiben auch nicht als Briefwechsel bezeichnen, denn die Geschichte endet hier.
"Ein tückisches Geschick in Gestalt eines höchst gefährlichen Augenleidens hat Henriette Hontschik gezwungen, dem geliebten Lehrerberufe, der in ihr eine seltene Charakterbildnerin verliert, zu entsagen, und bei dem Erfordernis absoluter Schonung ist das Fernhalten von allen, naturgemäß mit Unruhe verbundenen sozialen Gegenwartsbestrebungen geboten. Auch räumlich ist sie dem Verein entrückt, da sie Brünn für das mildere Graz vertauscht hat." In: Der Bund, Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine 1908, Heft 3, S. 13
Fortan sind keine weiteren Aktivitäten oder Veröffentlichungen von ihr dokumentiert.
In dem oben erwähnten Brief an Ernst Haeckel vom Dezember 1910 stellt Henriette Hontschik fest, dass sie als Lehrerin "für den Unterhalt [ihrer] Familie zu sorgen hatte". Genaueres über Ihre privaten Verhältnisse ist leider nicht bekannt.
Sie verstirbt in Graz am 18. Oktober 1919 im Alter von 67 Jahren.
Henriette Hontschik ....
- war meine Urgroßtante väterlicherseits
- und spielte eine wichtige Rolle in der österreichischen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert
"Der strenge Unterschied zwischen Frau und Fräulein erscheint sofort in seiner Lächerlichkeit, wenn man denselben per Analogie auf das männliche Geschlecht übertragen wollte. Es gliche gewiss einer Beleidigung, wenn man einen ledigen Mann mit "Herrlein!" anspräche."