Bernard Lown
Man muss kein Herzspezialist sein, um die Einteilung der Herzrhythmusstörungen „nach Lown“, die zum Grundwissen eines jeden Medizinstudenten gehört, zu kennen.
Und man muss kein Berufspolitiker sein, um den Namen Lown schon einmal gehört zu haben. Ist das wirklich der selbe Arzt, der gemeinsam mit dem Russen Chasow 1985 den Friedensnobelpreis erhalten hat für den Kampf der von ihm mit gegründeten Ärzteorganisation gegen den Wahnsinn der weltweiten atomaren Aufrüstung (IPPNW)? Ist das der selbe, der mit Reagan, Gorbatschow und den Mächtigen dieser Welt gestritten hat, auf den sie sogar gehört haben bei den kleinen, mühsamen Schritten zu diesen und jenen Abrüstungsverträgen?
Ja, das ist ein und derselbe Mann. Ich hatte das Glück, ihn 2004 auf einer gemeinsamen Veranstaltung der IPPNW und der Uexküll-Akademie in Frankfurt kennengelernt zu haben. Einige Male habe ich Ihn seitdem in Boston besucht, auch 2016 zu seinem 95. Geburtstag. Das war sein Credo:
„Ein profitorientiertes Gesundheitswesen ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich.
In dem Augenblick, in dem die Fürsorge dem Profit dient, hat sie die wahre Fürsorge verloren.“
Prof. Dr. med. Bernard Lown (1921-2021)
Bernard Lown ist einer der renommiertesten und streitbarsten Ärzte unserer Zeit. Sein Bestseller ,Die verlorene Kunst des Heilens' war Grundlage einer Veranstaltung, die die Akademie für Integrierte Medizin im Mai 2004 in Frankfurt durchführte, gemeinsam mit der IPPNW-Frankfurt, dem Schattauer Verlag, dem Suhrkamp Verlag und der Bezirksärztekammer Frankfurt.
In seinem Buch, dessen deutsche Ausgabe zunächst im Schattauer Verlag erschien und inzwischen im Suhrkamp Verlag als Taschenbuch vorliegt, schildert Lown ohne moralisierenden Zeigefinger sein ärztliches Wirken, seine Erfahrungen, seine Erfolge, aber auch seine Fehler. Es ist ein Buch, das anregt und Mut macht. Bernard Lown, einer der renommiertesten Ärzte unserer Zeit, propagiert ein neues und zugleich altes, urärztliches Paradigma: eine Medizin mit menschlichem Gesicht, in der das Verhältnis von Patient und Arzt ebenso wichtig ist wie das Beherrschen moderner medizinischer Technik.
Bernard Lown, der das " Lown Cardiovascular Center " an der Harvard Medical School in Boston gegründet hat, ist Kardiologe von Weltrang. Er entwickelte die geltende Klassifikation der Herzrhythmusstörungen und er erfand die Elektrodefibrillation bei Kammer- und Vorhofflimmern, die vielen tausend Menschen das Leben gerettet hat. Allerdings erhielt Bernard Lown nicht etwa den Nobelpreis für Medizin, den er zweifellos verdient hätte, sondern nahm gemeinsam mit seinem russischen Kollegen Evgenji Chazov 1985 den Friedensnobelpreis für die von ihm gegründete Vereinigung "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" (IPPNW) entgegen.
Ich konnte ihm 2011 zu seinem 90. Geburtstag eine Rundschau-Kolumne widmen, fünf Jahre später dann 2016 noch einmal zu seinem 95. Geburtstag.
Bernard Lown ist am 16. Februar 2021 zu Hause in Chestnut Hill gestorben, vier Monate vor seinem einhundertsten Geburtstag. Mein Nachruf.



Taschenbuch
Heilkunst
Mut zur Menschlichkeit
Mit einem Geleitwort von Bernd Hontschik
Schattauer Verlag, Stuttgart 2018. ISBN 3-8673-9113-0. 308 S., 24,99 Euro.
Hardcover
Ein Leben für das Leben
Ein Arzt kämpft gegen den atomaren Wahnsinn
Academia Verlag, Baden-Baden 2009, ISBN 3-896-65487-X. 448 S., antiqu.
Taschenbuch
Die verlorene Kunst des Heilens
Anleitung zum Umdenken
Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2004, ISBN 3-518-45574-5. 400 S., 12,50 Euro.
Hardcover
Die verlorene Kunst des Heilens
Schattauer Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-7945-2347-4. 307 S., 34,95 Euro.
Die verlorene Kunst des Heilens
Mit einem Geleitwort von Ulrich Gottstein"Wenn man politisch interessiert ist, könnte man den Namen Lown schon einmal gehört haben. Ein Mann dieses Namens hat gemeinsam mit dem Russen Chasow 1985 den Friedensnobelpreis erhalten, für die IPPNW. Wenn man in der Medizin tätig ist, muss man nicht unbedingt Kardiologe sein, um den Namen Lown schon einmal gehört zu haben. Die Einteilung der Herzrhythmusstörungen ,nach Lown' gehört zum Grundwissen, zu den sogenannten ,Basics' für jeden Medizinstudenten, für jeden Arzt. Wenn man dann überrascht festgestellt hat, dass es sich dabei um den gleichen Bernard Lown handelt, der außerdem auch noch für bahnbrechende Erfindungen auf dem Gebiet der Kardioversion und der Defibrillation bekannt geworden ist, zieht man seinen Hut (mehrmals) und ist neugierig. Was ist das Objekt unserer Neugier? Der inzwischen über achtzigjährige Bernard Lown hat ein Buch mit dem denkwürdigen Titel ,Die verlorene Kunst des Heilens' geschrieben und mit dem Untertitel ,Anleitung' bzw. 'Anstiftung zum Umdenken' versehen. Lown hat über 20 Ehrendoktorhüte, Diplome, Ehrungen erhalten, viele Patienten verdanken ihm ihr Leben, er ist einer der berühmtesten Kardiologen der Gegenwart, was kann so ein Gigant der Medizin ,verloren' haben, wieso schreibt er über ,Umdenken'? Dieses Buch lässt sich nirgends wirklich einordnen. Es ist kein philosophisches Werk, obwohl das Buch voller so grundsätzlicher und wegweisender Erfahrungen ist, dass man es am liebsten auswendig lernen würde: "Was also ist ärztliche Weisheit? Sie ist die Fähigkeit, ein klinisches Problem in seiner Verwurzelung nicht in einem Organ, sondern im ganzen Menschen zu verstehen. Intuition und Erfahrung sind notwendig, um das Unterschwellige zu erfassen, und es rasch und vollständig zu integrieren." Es handelt sich auch nicht um die üblichen Erinnerungen eines großen Arztes. Mit dem Furor eines Mahners und Anwalts der Menschlichkeit geißelt er die zunehmende (Zer-)störung der ärztlichen Tätigkeit durch die Industrialisierung des Gesundheitswesens: "Ein profitorientiertes Gesundheitswesen ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. In dem Augenblick, in dem Fürsorge dem Profit dient, hat sie die wahre Fürsorge verloren." Und ein Patientenratgeber ist dieses Buch schon gar nicht, obwohl man es jedem, besonders jedem kardiologischen Patienten als Pflichtlektüre vor jedem entscheidenden Arztbesuch in die Hand drücken sollte: "Ein Arzt muss die Kunst beherrschen, Menschen zu verstehen.
Auch ein Patient muss eine besondere Kunst kultivieren, nämlich die des Umgangs mit einem Arzt. Letzten Endes sucht man nach einem Arzt, bei dem es einem leicht fällt, seine Klagen zu schildern, ohne Angst zu haben, anschließend zahlreichen Prozeduren unterzogen zu werden. Vor allen Dingen sucht man nach einem Anteil nehmenden menschlichen Wesen." Lown ist ein berühmter Arzt. Lown ist ein begeisterter Wissenschaftler. Lown ist politisch, weil er von ganzem Herzen Arzt ist. Und: Lown ist ein begnadeter Erzähler. Diese Kombination ist einmalig und in diesem Buch einmalig gelungen. Das Buch ist voller faszinierender Fallgeschichten, mit denen Lown seine Thesen über die verlorene Kunst des Heilens zu illustrieren weiß. Jedes Zitat aus diesem Buch könnte in einem Arztzimmer, in jedem Wartezimmer oder auf Krankenhausfluren aufgehängt werden. Dass gar einer unserer inkompetenten Gesundheitspolitiker dieses Buch in die Hand nehmen könnte, wäre ein besonders schöner Traum. ICD, DMP, Managed Care und DRGs würden diesen Lesern rasch zu dem zerfließen, was sie sind, nämlich den Metaphern der ,modernen' Zerstörung der individuellen Arzt-Patient-Beziehung, dieser Basis jeder Heilkunst. Das Buch ist voller mitreißender Vorwürfe und fundierter Anklagen gegen die technisierte, entseelte und profitorientierte Medizin. Aber Jammern ist nicht Lowns Sache. Für jede seiner präzisen ,Diagnosen' weiß er neben Fallgeschichten auch Lösungen und Auswege, wie es wäre, wenn in der Medizin wieder die Kunst des Heilens im Mittelpunkt stünde und nicht die Kunst der Profitmaximierung. Lown rührt an der naturwissenschaftlichen Fixierung der medizinischen Wissenschaft und ruft die Intuition, die Lebenserfahrung und die menschliche Beziehungsfähigkeit zu Hilfe. Wenn es an diesem Buch überhaupt irgendetwas zu kritisieren gibt, dann das Fehlen einer sozusagen beruhigenden neuen Theorie der Heilkunde. Aber dafür gibt es glücklicherweise genug Ansätze und andere Bücher. Wer Lown gelesen hat, wird solche suchen und finden, z.B. in den neueren Veröffentlichungen der ,Integrierten Mediziner' aus dem Kreis um Thure von Uexküll.
Wenn ich nur fünf Bücher mit auf eine einsame Insel nehmen dürfte, dieses wäre eines davon."
Bernd Hontschik in: Dr. med. Mabuse, Heft 142, März/April 2003
Bernard Lown ist ...
- ein weltberühmter Kardiologe
- Mitgründer der IPPNW und Friedensnobelpreisträger
- ein hinreißender Autor
"Jedes Mal, wenn ein Arzt einen Patienten sieht,
sollte sich der Patient anschließend besser fühlen."